Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern heute: „Alte Pfade verlassen – neue Pfade finden“
Jürgen Bien, Vorsitzender der Bürgerstiftung Großenlüder begrüßte zur 6. Stifterversammlung den diesjährigen Gastredner, Herrn Manfred Schüler, langjährigen Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Fulda, Kenner der sich ständigen veränderten Arbeitswelt und dem Miteinander zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor allem in den kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben.
Probleme und Entwicklung
Schüler nannte nicht nur Probleme, sondern zeigte die Entwicklungen der vergangenen Jahre auf, nannte Ursachen und vor allem auch Strategien, wie unter den veränderten Strukturen die neuen Verantwortungen verteilt werden müssen.
Beginnend mit dem seit langem bekannten aber zu spät beachteten Demografische Wandel schlug er den Bogen zu der heutigen Notwendigkeit einer Work-Life-Bilance, unter der das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Partnerschaftsverhältnis führen müsse.
1995 war der Trend zu erkennen
Schon 1995 sei bekannt gewesen, dass die Zahl der Hauptschüler deutlich abnehmen und Auswirkungen auf die Auszubildenden habe werde. Waren es 2005 noch bundesweit über 477.000 Ausbildungsverträge, kamen in 2014 weniger als 370.000 zustande, eine alarmierende Abnahme. Da das Handwerk seine eigenen Fachkräfte zu nahezu 100 % selbst ausbilde, sei eine Überalterung der Beschäftigten absehbar. Damit stelle sich die Handlungsfrage: weniger Angebote von Dienstleistungen, Betriebsgröße und Mitarbeiterzahl verringern, Betriebe schließen?
Fachkräftemangel und Rückgang der Auszubildenden
Hier werde deutlich, dass es nicht mehr genüge, nur „einen neuen“ Weg zu nutzen, sondern die Gesamtbreite einer mehrspurigen Autobahn zu nutzen. Führe man sich vor Augen, dass der Mangel an Fachkräften zum Konkurrenzkampf führt, so müsse gerade die gewerbliche Wirtschaft mit den Mitarbeitern auskommen, die zur Verfügung stehen. Das heißt, die Arbeit muss auf qualifizierte wie auf weniger qualifizierte Kräfte verteilt werden, bzw. die Betriebe müssen ihre internen Schulungen dem Angebot anpassen. Wenn beispielsweise heute im Baugewerbe der Region bei einem Bedarf von jährlich 100 Lehrverträgen nur 50 – 60 neue Lehrverträge geschlossen würden, müsse der Unternehmer „seine“ Ausbildungsplätze für junge Menschen attraktiv machen, vermehrt auf standardisierte Arbeitsabläufe setzen und die weichen Standortfaktoren beachten, mit denen Arbeitskräfte gewonnen werden könnten. Weiche Faktoren seien vor allem flexible Arbeitszeiten, Weiterbildungs- und Aufstiegschancen, Betriebsklima, Vergütung, Gesundheitsprogramme und natürlich die Work-Life-Balance. Dieser „neue“ oder „moderne“ Begriff sei die Weiterentwicklung des bisherigen Begriffs „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ und stehe für die Notwendigkeit, das Arbeits- und das Privatleben in Einklang zu bringen. Wem es gelingt, diesen an Bedeutung gewinnenden Anspruch der Arbeitnehmer für den Betrieb zu nutzen, der könne mit positiven Leistungen rechnen.
In die Reihen der Existenzgründer sagte Schüler: „Der Selbstständige arbeitet selbst und ständig. Aber das, was er von sich erwartet, wird er nicht mehr von allen seinen Mitarbeitern erwarten können. Das eigene Unternehmen muss für Mitarbeiter interessant werden; notfalls muss der rote Teppich ausgerollt werden.“ Dazu könne z.B. auch die Möglichkeit genutzt werden, gemeinsam mit anderen Betrieben einen Kindergarten zu betreiben, Sport- und Fitnessangebote machen und vor allem Aufstiegschancen anbieten.
„Wer neue Wege geht und seine Mitarbeiter Wert schätzt, der schafft es auch, das Arbeitsverhältnis zum Partnerschaftsverhältnis umzuwandeln.“
Auch mit Hauptschulabschluss Studium möglich
Schüler richtet seine Botschaft auch an Eltern, die für ihr Kind ausschließlich das Gymnasium vorsehen: „Auch mit einem Hauptschulabschluss in Verbindung mit einer Meisterprüfung kann man einen Studienplatz erreichen.“ Für Arbeitgeber sprach Schüler das „Duale Studium“ an, wo betriebliche Praxis und theoretisches Wissen auf einem entsprechend hohen Niveau miteinander verknüpft werden.
Kaum noch Nachfolger in Handwerksbetrieben
Die Fortführung der Unternehmen ist für Schüler ein weiteres wichtiges Thema. So stünden in unserer Region in den nächsten 15 Jahren mehr als 35 % aller Handwerksbetriebe zur Übergabe an. Die alten Pfade, wo der Betriebsinhaber sein Kind als Nachfolger sehr spät akzeptiert, seien längst überholt. Die Weichenstellungen müssten deutlich früher erfolgen.
Rente gleich 40% des Bruttogehalts
Als wichtiges Feld sieht Schüler die Entscheidungen für das Leben nach der beruflichen Tätigkeit. Wer die Faustregel: Rente gleich 40 % des Bruttogehalts anwende, der liege in etwa richtig. Daraus folgt, dass eine zusätzliche freiwillige Altersversorgung fast schon zwingend erforderlich sei. Hier könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam neue Wege gehen. Modelle dazu gäbe es genügend. Sein Appell an die Arbeitgeber lautet: „Machen Sie auch im Sinne des sozialen Friedens die Altersversorgung zum Thema.“
Bien dankte Manfred Schüler für seinen Vortrag: „Die Botschaft ist angekommen. Nur mit klarem Ziel vor Augen und den Willen zu Veränderungen werden die gesellschaftlichen Probleme und die Probleme auf dem Arbeitsmarkt gemeistert werden können.“