Während der 4. Stifterversammlung der Bürgerstiftung Großenlüder begrüßte der Vorsitzende Jürgen Bien den diesjährigen Gastredner, Herrn Uwe-Bernd Herchen, als anerkannte und hochgeschätzte Persönlichkeit.
Herchen war Chefredakteur der Fuldaer Zeitung und Mitinitiator des Vereins „Paten und Partner“, der sich für junge Menschen mit ungünstigen Startbedingungen einsetzt.
Bei seinem Vortrag zum Thema „Wertschöpfung“ wurde schnell klar, dass es nicht nur um Volks- oder Finanzwirtschaft geht, sondern um moralische Werte als Voraussetzung für den ökonomischen Erfolg wie auch für das menschliche Zusammenleben.
So gesehen erwuchs bei den Zuhörern das Verständnis, dass Wertschöpfung aus Wertschätzung entstehe, etwas, das gerade die Mitglieder einer Stiftung zum Prinzip erhoben haben.
Doppelbödige Bedeutung der „Wertschöpfung“
Uwe-Bernd Herchen nahm sich der „Wertschöpfung“ in ihrer doppelbödigen Bedeutung vor. Ausgehend von dem volkswirtschaftlichen Begriff, wandte sich der Referent einer Schöpfung von Werten unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten zu. Dabei konzentrierte er sich auf die Bereiche Wirtschaft, Politik und Familie.
Gnadenloses Kosten-Nutzen-Denken dominiere die Wirtschaft, die sich darstelle als eine globalisierte, nutzenmaximierende Leistungsmaschinerie. Das drücke sich auch in der Fragestellung aus:
Der Mensch nur noch ein funktionales Wesen, ferngesteuert von Analysten und Spekulanten?
Shareholder value statt Sozialethik, der Gutmensch als Störfaktor?
Der Primat der Politik – von Religion und Ethik ganz zu schweigen – werde zunehmend vom Primat der Wirtschaft verdrängt.
Unterschied zwischen Arm und Reich
Ein Resultat sei der immer größer werdende Unterschied zwischen Arm und Reich. Um beispielsweise auf das Jahresgehalt des Fußballspielers Cristiano Ronaldo bei Real Madrid zu kommen, müsse ein deutscher Arbeitnehmer mit einem 8.50 Euro Mindestlohn etwa 1.400 Jahre arbeiten.
Leo Tolstois Erzählung „Wie viel Erde braucht der Mensch“ sei hier eine bedenkenswerte Mahnung.
„Wenn uns“, so der Referent, „beim Wort ,Wert“ nur noch Geldwert, Mehrwert, Tauschwert oder Fusionswert einfällt, dann haben wir uns von unserem beruflichen Umfeld deformieren lassen.“Wertschöpfung“ im wohlverstandenen Sinne bedeute auch, von der Würde des Menschen zu sprechen.
Qualitätsmanagement am Arbeitsplatz sei nicht nur die Absicherung einer fehlerfreien Produktion in kürzester Zeit unter geringstmöglichen Kosten – Qualitätsmanagement beinhalte auch das Gestalten eines möglichst konfliktfreien Miteinanders, Respekt unter Kollegen. Solidarität, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft – also ein intaktes Betriebsklima.
„Ein Wert, der nicht münzbar ist und auf keinem Bankkonto gebucht werden kann, ist Vertrauen“, leitete Uwe-Bernd Herchen über zur Politik, deren handelende Personen und Organisationen vielfach das Vertrauen der Bürger eingebüßt hätten. An Beispielen belegte er, wie Rückgratlosigkeit, Wortbruch und Eigennutz der politisch Verantwortlichen zu diesem Vertrauensverlust führten.
Vertrauen aber sei ein Grundelement einer intakten Gesellschaft, gegründet auf die Familie als Keimzelle von Solidarität und Subsidiarität. Die aber leide unter einer „strukturellen Rücksichtslosigkeit“, wenn Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen, verbunden mit permanenter Erreichbarkeit, eine räumliche und zeitliche und damit inhaltliche Entfremdung förderten.
Uwe-Bernd Herchens Forderung zum Schluss:
… eine Wertschöpfungskette zu bauen, für die vielleicht Platons Kardinaltugenden, aber auch die Zehn Gebote Vorbild sein könnten. Im Alltag dann aus diesen Vorgaben Tätigkeiten zu machen, wäre ein Wertgewinn – und ein wertvolles Leben.
Denn, mit Friedrich Schorlemmer: Es gibt Haltungen, die uns halten können.
Die Zuhörer dankten Herchen für diesen inhaltsreichen, wie auch spannenden Vortrag.